
Les(e)bar
Mitglieder des Ensembles lesen quer durch alle Genres und Epochen, von heiter bis wolkig, dramatisch bis lyrisch, ernst bis witzig.Ausgabe:
Ausgabe vom 20.06.2006
"Du trafst mich schon ins Herz ..."
Kein Werk der Weltliteratur - außer der Bibel - wurde häufiger ins Deutsche übersetzt als die Sonette Shakespeares. Über kein Werk Shakespeares ist mehr spekuliert, gestritten, gedichtet worden. Zahlreiche Biographen, Wissenschaftler, Künstler scheiterten bei dem Versuch, sein Geheimnis zu lüften: Wer verbirgt sich hinter den Initialen W. H. des Widmungstextes? Wer ist der junge Mann, an den die Mehrzahl der 154 Sonette sich richten? Wer die dunkle Lady der Sonette 127 bis 154? - Begeben Sie sich mit
Fürwahr, ich lieb' dich mit den Augen nicht,
Die tausend Fehler ja an dir erspähn,
Doch ist's mein Herz, das ihnen widerspricht,
Und das ersehnt und liebt, was sie verschmähn.
Es reizt mein Ohr nicht, deinem Wort zu lauschen,
Dich lüstern zu berühren, nicht die Hand;
Nicht will Geschmack sich noch Geruch berauschen
Mit dir allein im heißen Sinnenbrand.
Doch nicht die Einsicht der fünf Sinne kann
Ein armes Herz aus deinem Dienst erretten,
Das mich - das Schattenbild von einem Mann -
Zum Sklaven macht in deines Stolzes Ketten.
Nur dieser Trost kann meine Schmach versüßen,
Daß mich dieselbe sünd'gen heißt und büßen.
(Sonett CXLI in der Übersetzung von Max Josef Wolff)
Die nächste Les(e)bar: 29. August 2006
"Stell dir vor: Es kommen alle Frauen ..."
Brecht und die Frauen -