Die Hugenotten im 16. und 17. Jahrhundert

Das reformatorische Wirken Martin Luthers beeinflusste auch die Entwicklung der Kirche in Frankreich. Gelehrte und Theologen strebten auf der Grundlage von Luthers Schriften eine Reform der katholischen Kirche in Frankreich an. Einer der einflußreichsten Vertreter war Johannes Calvin (1509 - 1564). Konsequent wandte er sich gegen alle Veräusserlichungen der katholischen Kirche und propagierte die innere Glaubensgemeinschaft mit Gott.

Grundzüge der Calvinistischen Lehre sind:
Gott und nicht dem Menschen gebühren Ruhm und Ehre
Heil und Verdammnis sind dem Menschen von Gott vorbestimmt
Harte Kirchenzucht mit strengen Sittengeboten
Bilder, Kerzen und Schmuck in der Kirche werden in enger Anlehnung an die Bibel verboten

Die französischen Protestanten wurden auch als HUGENOTTEN bezeichnet. Es wird vermutet, dass die Herkunft dieses Namens aus der Verwandschaft mit dem schweizerischen Wort für Eidgenosse stammt.

Die Anhänger der Lehre Calvins wurden von der katholischen Kirche zunehmend verfolgt, Hinrichtungen und Ketzerprozesse standen auf der Tagesordnung. Die Reformation muß sich in Frankreich, anders als in Deutschland, gegen den Widerstand der Herrscher durchsetzen.

1598 erließ Heinrich IV. das Edikt von Nantes. Es sicherte den Protestanten Religionsfreiheit zu und gestattete die Ausübung reformierter Gottesdienste.

1685 hob Ludwig XIV. dieses Edikt auf. Damit wurden die Hugenotten praktisch rechtlos. Die Geistlichen hatten das Land innerhalb von 14 Tagen zu verlassen. Allen anderen war die Auswanderung unter Androhung von Galeerenstrafen für Männer und der Klosterhaft für Frauen strengstens verboten.

200.000 Hugenotten verließen Frankreich und nahmen ein gefährliches Wagnis auf sich, um ihre Religion in den Zufluchtsländern ausüben zu dürfen. Rund 20.000 Franzosen wählten Brandenburg-Preußen als ihre neue Heimat, mehr als 2.000 von ihnen fanden in der Uckermark ein neues Zuhause.

Wie der Grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte auch dessen zweite Gemahlin Dorothea, der die Herrschaft Schwedt seit 1670 gehörte, den Wert der Ansiedlung der französischen Glaubensflüchtlinge erkannt. Sie begrüßte die Ankunft der Hugenotten, von denen sie sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht einen Aufschwung versprach.

Die ersten Franzosen siedelten sich in Schwedt und Vierraden 1686 an, das auch als das Gründungsjahr der französischen Gemeinde Schwedt-Vierraden gilt.

Einflüsse in Wirtschaft und Alltagskultur (1)

Neben dem Tabakanbau trug auch die Seidenraupenzucht zum wirtschaftlichen Aufschwung bei, wenn gleich deren Bedeutung nicht an die des Tabaks heran kam. Die Seidenraupe, die etwa Mitte des 6. Jahrhunderts von China nach Europa kam, verbreitete sich schließlich auch in Frankreich unter Richelieu und Colbert. Die Refugiés brachten die Seidenraupenzucht nach 1685 mit nach Brandenburg. Bereits 1686 erhielt ein Jean Biet 5.000 Taler für den Bau einer Seidenfabrik, die ersten Maulbeerplantagen bei Guben wurden angelegt, weitere enstanden auf den Festungswällen bwi Peitz. 1701 übertrug Friedrich I. der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin das Privileg für die Maulbeerbaum- und Seidenkultur. In Schwedt wurde die Seidenraupenzucht von den Markgrafen selbst betrieben, deren Maulbeerplantagen befanden sich vor dem Vierradener Tor.

Preußen zählte man um die Mitte des 18. Jahrhunderts 6.006 Seidenfabrikanten mit 4.200 Stühlen. Der Ertrag betrug 3 Millionen Taler. Es existierten rund 3 Millionen Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht, 1784 wurden mehr als 13.000 Pfund Seide gewonnen.
Einen nachhaltigen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung in Brandenburg-Preußen übten die hugenottischen Hersteller und Verarbeiter von Wolle und Stoffen aus.
Kurfürst Friedrich Wilhelm holte französische Strumpfwirker ins Land, denn bis dahin war die Herstellung mechanisch gewirkter wollener Strümpfe hier nahezu unbekannt und auf dem Strumpfwirkstuhl hergestellte seidene Strümpfe stellten einen Luxusartikel dar.

Die zahlreichen Gärtner, die sich unter den französischen Zuwanderern befanden und sich vor allem in den Berliner Vorstädten niederließen brachten neue Obst- und Gemüsesorten und Kräuter mit. So wurden von ihnen Blumenkohl, Spargel, Artischocken, Salat, grüne Bohnen, Spinat und grüne Erbsen, in einigen Gewächshäusern wurden sogar Orangen- und Zitronenbäume, Ananas und Melonen gezogen. Die Versuche, hier Wein anzubauen, scheiterten zumeist an den Böden und an den klimatischen Bedingungen. Anfang des 18. Jahrhunderts verkauften die Hugenotten in Berlin kleine “Franzbrote” aus feinem Mehl, aus denen sich wahrscheinlich die “Schrippe” entwickelte.

Einflüsse in Wirtschaft und Alltagskultur (2)

Eine besondere Spezialität der Hugenotten waren die Waffeln, die sie selbst “galiches” nannten und auf Waffelei- sen buken. Diese Speisen wurden in den hiesigen Gegenden, wo bislang dunkles Brot, schweres Bier, Grün- und Sauerkohl die Mahlzeiten bestimmten, zunächst skeptisch zur Kenntnis genommen, verbreiteten sich aber allmählich.

“Wir haben ihnen unsere Manufakturen zu danken, und sie gaben uns die erste Idee vom Handel, den wir vorher nicht kannten. Berlin verdankt ihnen seine Polizei, einen Teil seiner gepflasterten Straßen und seine Wochenmärkte.

... Durch sie kam Geschmack an Wissenschaft und Künsten zu uns. Sie milderten unsere rauen Sitten, sie setzten uns in den Stand, uns mit den aufgeklärtesten Nationen zu vergleichen ...”.

(Carl Ludwig Freiherr von Pöllnitz, 1692 - 1775, Oberzeremonienmeister am Berliner Hof)